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Filme im Kino
MoX Kino-Tipps KW0422.01.2025
Texte: Horst E. Wegener
Der Brutalist
GB/USA/Ungarn ´24: R: Brady Corbet. Ab 30.1. Wertung: ***** Bild: Universal Pictures
Den Holocaust haben László Tóth (Brody) und seine Ehefrau Erzsébet (Jones) zwar überlebt, wurden dann aber in den Wirren nach Kriegsende getrennt. So bleibt dem jüdisch-ungarischen Architekt einstweilen nichts anderes übrig, als 1947 zunächst allein gen Vereinigte Staaten zu emigrieren, in der Hoffnung, die Liebe seines Lebens irgendwann nachholen zu können. Der Neuankömmling kommt bei seinem Cousin Attila (Nivola) in Pennsylvania unter, der dort ein eigenes Möbelgeschäft hat – und den Verwandten für sich arbeiten lässt. Doch den vielgelobten amerikanischen Traum für sich zu verwirklichen fällt dem Fremden in der Neuen Welt nicht leicht. Als Harry Lee (Alwyn), Sohn des örtlichen Tycoons Harrison Lee Van Buren (Pearce), den alten Lesesaal seines Vaters in eine hochmoderne Bibliothek umbauen lassen will, und Lászlo hierfür funktionale Bücherschränke beisteuern darf, kann der in der Dessauer Bauhaus-Tradition geschulte Visionär endlich glänzen. Mit Erfolg, denn einerseits wird das Magazin Look und andererseits der von seiner neuen Bibliothek begeisterte Milliardär Van Buren auf das Können des jüdischen Emigranten aufmerksam. Der Tycoon beauftragt Tóth damit, eine Art monumentales Kulturzentrum zu entwerfen, bestehend aus Gemeindesaal, Kirche, Bibliothek, das nahe des Van Buren´schen Anwesens auf einem Hügel realisiert werden soll. Architekt Tóth skizziert seinem sündreichen Gönner einen monströsen Gebäudekomplex, der im Stil des sogenannten Brutalismus die Landschaft dominieren würde. Je länger sich die Überlegungen hinziehen, ob man etwa mit dem von Van Buren bevorzugten CarraraMarmor oder mit Tóths geliebtem Beton arbeiten könnte, desto hinderlicher erweist sich der Perfektionismus des Architektur-Visionärs. in Verbindung mit Alkohol- und Drogenproblemen sowie einem aufbrausenden Temperament hangelt sich Tóth von einem Hindernis zum nächsten. Selbst durch die Ankunft Erzsébets in den USA, die dank der politischen Kontakte Van Burens gemeinsam mit Lászlós Cousine Zsófia (Cassidy) anno 1953 endlich ein Einreisevisum für die Vereinigten Staaten erhält, hellt sich die Stimmung des Architekten nur bedingt auf: Einerseits sitzt seine kränkelnde Frau im Rollstuhl, andererseits redet ihm gefühlt jeder in sein Projekt hinein. Die Vision droht zu scheitern. Regisseur Brady Corbet vertieft sich in die Geschichte seines fiktiven jüdischen Architekturvisionärs, der dem europäischen Faschismus knapp entkommen konnte, um nun im gelobten Land auf einen Tycoon großkapitalistischer Prägung zu treffen. Das Monumentalwerk über den Ehrgeiz, etwas Denkwürdiges zu hinterlassen, beeindruckt mit fesselnden Bildern, einer gelungenen Ton- und Musikuntermalung, mitreißend schauspielernden Darstellern, ist überlang, aber nie langweilig.
D: Adrien Brody, Felicity Jones, Guy Pearce, Joe Alwyn, Raffey Cassidy, Stacy Martin, Emma Laird, Alessandro Nivola.
Kneecap
Irland/GB ´24: R: Rich Peppiatt. Ab 23.1. Wertung: **** Bild: Sony Pictures Classics
Die Belfaster Freunde Naoise (Bap) und Liam Òg (Chara) haben sich auf das Verticken von Drogen spezialisiert, und genießen das Nachtleben in ihrem Kiez. Dass Naoise von seinem Dad, dem IRAler Arlo die irische Sprache vermittelt bekommen hat, lässt sich im Alltag bestens einsetzen, wenn jene nur des Englischen mächtigen Mitbürger nichts von der Unterhaltung der beiden Kumpels mitbekommen sollen. Und im Verhörraum der Polizeiwache erscheint Irisch umso mehr angebracht, da es von Detective Ellis (Walker) nicht verstanden wird. Als die Polizistin den Irisch-Lehrer JJ (DJ Próvai) als Dolmetscher anfordert, verspürt der wenig Lust, dem nachzukommen – und muss erst überredet werden. Auf dem Revier nimmt JJ Liams Notizbuch an sich, ist er beeindruckt von dessen darin festgehaltenen irischen Lyrik-Ergüssen. Bald finden sich auf Umwegen Liam Òg, Naoise und JJ zum jammenden Rap-Trio Kneecap zusammen, müssen trotz phänomenaler Erfolge bei den schwer beeindruckten Fans Schwierigkeiten gemeistert werden. „Kneecap“, dieser größtenteils fiktiv ersonnene Gründungsmythos des tatsächlich unter diesem Bandnamen existierenden Belfaster Rap-Trios ist zwar ganz im Stil von „Trainspotting“ von Regisseur Rich Peppiatt in Szene gesetzt, findet jedoch von Anfang an zu ganz eigener Authentizität, grotesken Einfällen und einem rasanten Tempo. Echt abgefahren!
D: Móglai Bap, Mo Chara, DJ Próvai, Josie Walker, Fionnuala Flaherty, Michael Fassbender.
Babygirl
USA ´24: R: Halina Reijn. Ab 30.1. Wertung: ***** Bild: Constantin Film / Niko Tavernise
Beruflich kann Romy (Kidman) nicht klagen, steht es um die von ihr gegründete und als CEO geleitete Robotikfirma bestens. Privat fühlt sich die taffe New Yorkerin derweil sexuell unbefriedigt, lösen Intimitäten mit Ehemann Jacob (Banderas) in schönster Regelmäßigkeit nurmehr einen ihrerseits vorgetäuschten Orgasmus aus. Als ihr in ihrer Firma der wesentlich jüngere neue Praktikant Samuel (Dickinson) erstmals übern Weg läuft, setzt der sich sehr schnell über die gängigen Berufsregeln hinweg. Dreist stellt er die Dominanz seiner Chefin auf die Probe, will sie als seine offizielle Mentorin gewinnen. Indem Samuel Romy bald unverhohlen Avancen macht und mit seinem Verhalten ihr gegenüber deren bis dahin uneingestandene Unterwerfungsbedürfnisse weckt, geht die gut dreißig Jahre ältere Frau in der Folge eine hitzig-leidenschaftliche Affäre mit ihrem Untergebenen ein, die man größtenteils in einem heruntergekommenen Hotelzimmer auslebt. Gemeinsam loten die beiden schweißtreibende SMPraktiken aus – und Samuel fühlt sich sichtlich wohl damit, seine verheiratete Chefin und Sexpartnerin gelegentlich daran zu erinnern, dass er ihr Leben sowohl privat als auch beruflich mit einem einzigen Anruf zerstören könnte. Die Affäre eines reichen älteren Chefs mit der jungen karrieregeilen Praktikantin ist in Filmen schon oft als Thema aufgegriffen worden. „Babygirl“-Regisseurin Halina Reijn zielt nicht darauf ab, diese Macht- und Abhängigkeits-Spielchen lediglich geschlechtervertauscht neu aufzulegen. Ihr Amour-fou-Drama punktet vor allem durch den wagemutig offenherzigen Auftritt der Hauptdarstellerin, deren Obsessionen randscharf ausgelotet werden. Die Regie zeigt Hollywoodgröße Kidman nackt, ohne sie je bloßzustellen – was wahrlich kein leichtes Unterfangen ist. Der weitverbreiteten Unfähigkeit sowohl von Frauen als auch von Männern miteinander über Sex und das Verlangen, bestimmte Fantasien lustvoll austesten zu wollen, ins Gespräch zu kommen, hält „Babygirl“ gekonnt den Spiegel vor. Und mündet in ein mitreißendes Plädoyer dafür ein, sich mit seinem Körper auseinanderzusetzen und letztendlich vor allem sich in all seinen verschiedenen Facetten zu lieben.
D: Nicole Kidman, Harris Dickinson, Antonio Banderas, Sophie Wilde.
Paddington in Peru
GB/Japan ´04: R: Dougal Wilson Vorankündigung Bild: Studiocanal
Groß ist die Vorfreude beim Knuddelbär Paddington und seiner Londoner Menschenfamilie Brown, als sie beschließen, gemeinsam des Bären Tante Lucy in dessen einstiger Heimat Peru zu besuchen. Diese genießt dort zwar eigentlich ihren Ruhestand in einem Seniorenheim. Doch bei ihrer Ankunft müssen Paddington und die Browns feststellen, dass Tante Lucy wohl gen Amazonas entschwunden ist - womöglich auf der Suche nach der sagenumwobenen Goldstadt Eldorado. Keine Frage, dass Tantchens Besuch hinterher wollen – und direkt in ein spektakuläres Abenteuer schlittern. Kindgerechte Unterhaltung vom Feinsten.
D: Hugh Bonneville, Emily Mortimer, Antonio Banderas, Olivia Colman, Julie Walters.
La Cocina – Der Geschmack des Lebens
Mexiko/USA ´24: R: Alonso Ruizpalacios. Ab 23.1. Wertung: **** Bild: SquareOne Entertainment
Am New Yorker Touristen-Hotspot Times Square macht das Restaurant The Grill auf nobel, hat es aber vor allem auf ahnungslose Gäste aus aller Welt abgesehen, die man mit hohen Preisen abzockt. Dazu setzt die Geschäftsleitung auf illegal beschäftigtes Personal. Als eines Tages 800 Dollar in der Kasse fehlen, wird Koch Pedro (Carmona) verdächtigt. Will er damit seiner schwangeren Lebensgefährtin, der ebenfalls im Restaurant akkernden Kellnerin Julia (Mara) eine kostspielige Abtreibung finanzieren? Ohne dass der Manager jedoch einen Schuldigen ermitteln kann, drohen sich die Konflikte im Mikrokosmos des The Grill weiter zuzuspitzen… Der auf einem Theaterstück aus den 1950er-Jahren beruhende Film deckt die gehobene Küche als eine Fassade auf, die auf purem Rassismus und Ausbeutung beruht. Und er vertieft Geschichten, Träume und Alpträume der Migranten, stellt einerseits ein poetisches Sozialdrama dar, verliert andererseits neben der kenntnisreich choreografierten Milieustudie übers Schuften im vorgeblichen Gourmetrestaurant vor allem die eigentlich unmögliche Liebe zweier Menschen nie aus dem Blickfeld. Ein Programmkino-Juwel.
D: Raúl Briones Carmona, Rooney Mara, Anna Diaz, Oded Fehr, Laura Gómez.
Der Graf von Monte Christo
Frankreich ´24: R: Matthieu Delaporte. Ab 23.1. Wertung: *** Bild: Pathé Films
Für die einen ist es Rache, für Edmond Dantès (Niney) ist es Gerechtigkeit. Nach unzähligen Jahren weggesperrt in einem Kerker auf einer Gefängnisinsel, gelingt dem unschuldig Verurteilten die Flucht. Zudem dank des Hinweises und der geglückten Bergung eines Tempelritterschatzes zu Reichtum gekommen, mimt Dantes den Grafen von Monte Christo, mischt er sich inkognito unters Volk. Vor Augen ist ihm stets das Fernziel, jene für seine einstige Inhaftierung verantwortlichen Fieslinge, den Staatsanwalt de Villefort (Lafitte), Kapitän Danglars (Mille) und Fernand de Morcerf (Bouillon) aufzuspüren, deren Komplott ihn seinerzeit um die Heirat mit seiner großen Liebe brachte, nur weil jemand anderes Gefallen an der Schönen bekunden mochte. Mercédès (Demoustier) ließ man damals glauben, dass Edmond tot wäre – und obwohl er längst ganz anders aussieht, erkennt sie ihn als Einzige wieder. Doch was nutzt ihnen beiden das, nachdem Mercédès längst verheiratet ist? Ohnehin treibt Edmond eher die Frage um, wie er in puncto Gerechtigkeit mit seinen Widersachern verfahren sollte – und Matthieu Delaportes bildgewaltige Neuverfilmung des Romanklassikers von Alexandre Dumas glückte es, nach der Premiere in Frankreich zum veritablen Kassenrenner zu werden. Ähnliches könnte man nun auch hierzulande erwarten. D: Pierre Niney, Bastien Bouillon, Anais Demoustier, Anamaria Vartolomai, Laurent Lafitte, Patrick Mille, Pierfrancesco Favino, Vassili Schneider.