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Filme im Kino

Mox Kino-Tipps KW3927.09.2023













The Lost King
GB ´23: R: Steven Frears. Ab 5.10. Wertung: ***** Bild: Pathé Productions Ltd.


Dass Bühnen-Titan William Shakespeare aus Großbritanniens König Richard III einen der übelsten Schurken der Geschichte formen mochte, regt Philippa (Hawkins) beim Theaterbesuch zum Nachdenken an. Gut möglich, dass der tyrannische Fiesling in Wahrheit gar nicht so schrecklich war, wie auf der Bühne. Ermuntert durch die Shakespeare´sche Tragödie beginnt die verheiratete Marketing-Frau mit dem Quellenstudium über das Leben des echten Monarchen, knüpft sie Kontakte, startet eigene Nachforschungen. Bald kennt Philippa nur noch ein einziges Ziel: das verschollene Grab von Richard III zu finden.  
Eine wahre Geschichte hat der britische Filmemacher Steven Frears da ausgegraben, um diese mit Hauptdarstellerin Sally Hawkins in eine herrlich gelungene Kino-Dramödie zu verwandeln. Als Hobby-Archäologin schreckte die unbeirrbare Philippa Langley zusehends weniger davor zurück, sich mit der männlich dominierten Welt der Wissenschaft anzulegen. Auch ihr filmisches Alter ego Hawkins kniet sich so sehr ins Quellenstudium hinein, dass ihr dann sogar König Richard (Lloyd) persönlich erscheint. Spätestens jetzt ist es an Philippas Ehemann John (Coogan), diese ´spinnerte Enthüllung des imaginären Gesprächspartners seiner Göttergattin mit Fassung zu ertragen, der offenbart wurde, dass die letzte Ruhestätte des Königs unterm Parkplatz des Sozialamts liegen dürfte – während der Film very british zwischen coolem Witz, Poesie und Tragik dauerpendelt.
D: Sally Hawkins, Steve Coogan, Harry Lloyd, Mark Addy.


The Creator
USA ´23: R: Gareth Edwards. Ab 28.9. Vorankündigung Bild: 20th Century Studios
Wird die Künstliche Intelligenz der Menschheit in näherer oder ferner Zukunft ein Leben ohne Sorgen oder das Ende bescheren? In Hollywoods Traumfabriken liebäugeln sie längst mit Endzeit-Szenarien, lässt man Regieroutinier Gareth Edwards das Potenzial jener ultraschlauen Hochtechnologie im SciFi-Thriller „The Creator“ budgetgewaltig ausloten. Da liegen Metropolen wie Los Angeles in Trümmern, wurden sie von einer sich diabolisch entwickelnden KI mit einem Atomschlag dem Erdboden gleichgemacht. Wer sich in letzter Sekunde in Sicherheit bringen konnte, bekämpft das künstliche Übel, solange sich einem dazu auch nur die klitzekleinste Chance bietet. Eine der Möglichkeiten, die von überlebenshungrigen Widerstandskämpfern diskutiert wird, zielt darauf ab, die vom schwer fassbaren Architekten der KI, dem Creator, vorausschauend ersonnene Achillesferse im System aufzuspüren und zu eliminieren. Mal abgesehen davon, dass das feindliche Territorium von Robotern kontrolliert wird, droht der Menschheit die komplette Auslöschung, sollte die Umsetzung des Plans nicht präzise ausgeführt werden. Der ehemalige Special-Forces-Agent Joshua (Washington) macht sich gemeinsam mit weiteren Elitesoldaten auf den Weg hinein ins Machtzentrum der KI – und die Bestürzung ist groß, als es der Einheit dämmert, dass die systemische Achillesferse eine Kindmaschine darstellt. Diese zu töten will Joshua partout nicht gelingen – weshalb man das Robo-Kind mitnimmt…
Die bislang veröffentlichten Trailer verheißen hollywood´sches Traumkino at its best; immerhin betraute man Gareth Edwards mit der Regie – der schon bei „Rogue One“ und „Monsters“ beweisen durfte, dass er sündteure Etats in spektakuläre Kinowelten verwandeln konnte.
D: John David Washington, Gemma Chan, Ken Watanabe, Sturgill Simpson, Allison Janney, Ralph Ineson, Veronica Ngo.


Burning Days
Türkei/Frankreich/Deutschland ´22: R: Emin Alper. Ab 28.9. Wertung: **** Bild: Cinemnien Deutschland
Dieser Fall im Süden der Türkei schreit geradezu nach einem hochmotivierten jungen Staatsanwalt wie Emre (Pasali) aus Ankara, um der Sache vor Ort auf den Grund zu gehen. In der anatolischen Kleinstadt Yaniklar angekommen, dämmert´s Emre schnell, dass er einem ausgewachsenen Umweltskandal auf der Spur ist: Die radikale Ausbeutung des Grundwassers hat der Gegend riesige Krater beschert. Um den Neuankömmling einzulullen, täuschen Einheimische wie Sahin (Babaoglu), intriganter Sohn des Bürgermeisters oder der schwer durchschaubare Journalist Murat (Koc) Hilfsbereitschaft vor, lässt man andererseits keine Gelegenheit aus, dem sich unbestechlich gebenden Städter in der Provinz dessen Ermittlungen zu erschweren. Für den Anwalt wird es gefährlich, als er nach einer Feier mit einem Filmriss konfrontiert wird, der in einen Vergewaltigungsvorwurf einmündet. Eine schwerwiegende Anschuldigung, die Emre Job und Leben kosten könnte.
Gekonnt hinterfragt „Burning Days“ die politischen Machtspiele in einem Kaff, dem man das Wasser buchstäblich abgegraben hat! Dürre, Korruption, Homophobie und Intrigen ergeben zudem eine brisante Gemengelage, mit der einem die Regie die drohenden Zustände in einer von Wassermangel gebeutelten Welt vor Augen führt. Wobei: Was hier am Beispiel der Türkei in Szene gesetzt wird, erscheint auch andernorts denkbar; wehret den Anfängen.
D: Selahattin Pasali, Ekin Koc, Erol Babaoglu, Selin Yeninci, Erdem Senocak, Sinan Demirer, Hatice Aslan.


Rose – Eine unvergessliche Reise nach Paris
Dänemark/Frankreich ´22: R: Niels Arden Oplev Bild: Mindjazz Pictures
Als junge Frau hat Inger (Grabol) eine Weile in Paris gelebt und sich dort wohl gefühlt. Wieder zurück in der Heimat wurde bei der Dänin Schizophrenie diagnostiziert. Zwar ist es der jungen Frau im Lauf der Jahre gelungen, mit dieser Erkrankung offen umzugehen – was allerdings für ihre Umgebung oftmals kein Vergnügen ist. Dass sie mit rein gar nichts hinterm Berg hält, verschreckt jeden. Erst recht die bunt zusammengewürfelte Reisegesellschaft, die Jahrzehnte nach Ingers Frankreich-Episode per Bus nach Paris aufbricht; mit im Tourbus sind auch Ingers Schwester Ellen (Christensen) und deren Mann Vagn (Berthelsen), die mit diesem Kurztrip ein seinerzeit gegebenes Versprechen einlösen, die Erkrankte dorthin zu begleiten, wo sie glücklich war. Aufgrund ihrer schroffen, oftmals beleidigenden Art zieht sich Inger im Verlauf der Reise im Nu den Groll der meisten Mitreisenden zu. Nur Christian, der zwölfjährige Sohn  eines in ihrer Ehekrise verhedderten Paares, freundet sich mit Inger an. Bekommt ihr „Geheimnis“ anvertraut – und findet nach der Ankunft in Paris heraus, dass jener verheiratete Mann, der Inger einst „verrückt werden“ ließ, nach wie vor in derselben Wohnung lebt. Als Inger Christians Entdeckung mitgeteilt bekommt, beschließt sie, bei ihrer einstigen Liebe vorbeizuschauen…
Sofie Grabols grandiose Inger-Verkörperung in Verbindung mit Regisseur Niels Arden Oplevs nachvollziehbar lebensnaher Inszenierung, servieren uns Zuschauern das heikle Thema als ungeahnt leichtfüßig-sensible Tragikomödie. Sehr sehenswert.  
D: Sofie Grabol, Lene Maria Christensen, Anders W. Berthelsen, Sören Malling, Christiane Gjellerup Koch.

Die Mittagsfrau
Deutschland/Schweiz/Luxemburg  ´23: R: Barbara Albert. Ab 28.9. Wertung: **** Bild: Wild Bunch Germany
Der Wechsel aus dem kleinbürgerlichen Bautzen, wo die Schwestern Martha (Amuat) und Helene (Emde) ohne ihren aus dem Ersten Weltkrieg nicht mehr zurückgekommenen Vater mit einer dem Wahn verfallenen Mutter aufwachsen, ist schwer zu ertragen. Dass man eine reiche Tante in Berlin auftut, verheißt Freiheit. Die beiden Schwestern tauchen ins Großstadtleben der wilden 1920er Jahre ein – wobei Martha das Partygirl gibt, während Helene in einer Apotheke jobbt und mit einem Medizinstudium liebäugelt. Lange sieht es so aus, als könnte der klugen strebsamen jungen Frau alles gelingen, glaubt Helene in Karl (Prenn) sogar den Mann ihrer Träume gefunden zu haben. Doch dann kommen die Nazis an die Macht – eine Tragödie für die beiden Schwestern, deren Mutter Jüdin ist. Martha entschließt sich mit ihrer Lebensgefährtin irgendwann zur Flucht, ihre Schwester bleibt des Studiums wegen. Karl kommt bei einer Demo ums Leben und Helene nimmt gezwungenermaßen eine Tarnidentität an. Sie heiratet den Nazioffizier Wilhelm (von der Groeben), von dem sie ein ungeliebtes Kind bekommt.
Der österreichischen Filmemacherin Barbara Albert ist das Kunststück gelungen, aus der komplexen Erzählung von Julia Francks gleichnamigem Romanbestseller (gemeinsam mit Co-Autorin Meike Hauck) das Wesentliche herauszuschälen, über mehr als 25 Jahre hinweg dem Schicksal der von Mala Emde wunderbar in Szene gesetzten Hauptdarstellerin so zu folgen, dass man mit deren Helene mitfühlt. Eindrucksvoll bringt uns  Emde  ihre Figur im Rückblick aus den 1950ern näher als eine widerspruchslos alles Erduldende, die sich mehr und mehr von sich selbst entfernt, weil sie keine andere Chance hat. Dass man als Zuschauer gefordert ist, die Lücken in der zwischen den Jahrzehnten klaffenden Erzählung selbst zu schließen, macht für alle, die mit der Vorlage nicht vertraut sind, Alberts Kinoadaption zwar schwierig, aber lohnenswert.
D: Mala Emde, Max von der Groeben, Thomas Prenn, Liliane Amuat, Fabienne Elaine Hollwege, Laura Louisa Garde, Eli Wasserscheid.


Catch the Killer
USA ´23: R: Damian Szifron. Ab 5.10. Wertung: **** Bild: 20th Century Studio
Die Silvesternacht in der US-Großstadt Baltimore hat sich ein Scharfschütze ausgesucht, um von einer leerstehenden Wohnung aus scheinbar wahllos auf Menschen zu feuern, die das neue Jahr willkommen heißen wollten. Noch bevor ihm die Cops zu nahe kommen, lässt der Irre eine  Sprengladung hochgehen, die verräterische Spuren verwischt - und entschwindet unerkannt. Jene Opfer, die das Massaker nicht überleben, scheinen durch kein erkennbares Muster miteinander verbunden zu sein. Der zur Aufklärung hinzugezogene FBI-Mann Lammark (Mendelsohn) steht vor einem Rätsel. Doch dann beeindruckt ihn die Analyse der jungen Polizistin Eleanor (Woodley), deren Anmerkungen zur Psyche des Attentäters dem FBIler eine  neue Sichtweise auf den Killer eröffnet. So sehr ihre Fähigkeit, sich in den Scharfschützen hineinzuversetzen, bei der Lösung des Falles helfen könnte, als Handicap erweisen sich die Kollegen und Vorgesetzte der psychisch vorbelasteten Polizistin, die mit einer Mischung aus Arroganz, Inkompetenz und Fehleinschätzungen die Verhaftung des Serienmörders erschweren. Was wie ein klassischer Großstadttriller auftaktet, bietet Regisseur Damian Szifron die Gelegenheit, uns in eine vielschichtige Film Noir-Studie über die Einsamkeit der Menschen und eine Anklage gegen die waffennärrische US-Gesellschaft hineinzuziehen.
D: Shaileine Woodley, Ben Mendelsohn, Jovan Adepo, Ralph Ineson.

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