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Mythos AVUS19.04.2023





Text und Fotos: Horst E. Wegener
Mit dem Ende der Rennstrecke 1998 überließ man in Berlin die unmittelbar neben der Autobahn gelegene Tribüne sich selbst. Während der einstige Zielrichterturm nach Kriegsende zu einem Tank- und Rasthof mit angeschlossenem Hotel erweitert worden war, erstand ein Privatmann den nahe dem Messeareal gelegenen Tribünenkomplex, um dort ein Automuseum einzurichten. Doch dieses Vorhaben kam nicht voran – bis nach einem weiteren Eigentümerwechsel ab 2015 die Pläne des aus Teheran stammenden Wahl-Berliners Hamid Djadda Gestalt annahmen. Das Konzept des umtriebigen Geschäftsmanns sah für die Tribüne einen Nutzungsmix aus Büros, Fernsehstudios und Gewerbeflächen vor – inklusive Veranstaltungsbereich und Partyzone rund um die einstige Sprecherkanzel der Rennstrecke. Es galt weiterhin mit Ausnahmegenehmigungen und kniffeligen Denkmalschutzauflagen aufgrund der sehr speziellen Lage des Bauwerks zu arbeiten. Allein schon die bürokratische Vorgabe, dass Gebäude normalerweise nicht näher als 40 Meter an Autobahnen heranrücken dürfen, machte es notwendig, im Inneren der mit sechs Meter sehr schmalen und 9,6 Meter hohen Tribüne die großen Fensterflächen gen Autobahn mit Hilfe modernster Flüssigkristalltechnik so zu gestalten, dass sie nur von innen transparent wirken, von außen dagegen dunkel. Immerhin sollte kein vorbeifahrender Autofahrer auf der A 115 durch Partytrubel in dem 240 Meter langen Baukörper abgelenkt werden. Rechtzeitig vorm 24. September 2021, an dem das hundertjährige Jubiläum der AVUS-Rennstrecke anstand, hatte sich das von Tribünen-Retter Djadda zusammengetrommelte Finanzierungsteam mit Politik und Ämtern geeinigt – und das gut sechs Millionen Euro teure Bauprojekt fertiggestellt. Dass diese historische Tat von Seiten der damals amtierenden grünen Verkehrssenatorin aus auch nur mit einer Silbe gewürdigt worden wäre, hätten im Umfeld des Jubiläums ohnehin die wenigsten AVUS-Nostalgiker erwartet. Während sich die Hauptstadtmedien in den Vormittagsstunden des 24. Septembers in ihrer Berichterstattung auf Fridays for Future-Aktivisten beim Demonstrieren in Berlin-Mitte konzentrierten, trommelten „Mythos AVUS“-Buchautor Ulf Schulz und Ex-Rennfahrer Hans-Joachim Stuck Gleichgesinnte vorm Rasthof AVUS zusammen, um in Sichtweite der vorbildlich sanierten Tribüne vor dem von Fernfahrern, Messebauern und AVUS-Romantikern geschätzten Motel der früheren Rennsportzeiten zu gedenken. Auch im Restaurantbereich des Motels lebt die Erinnerung an diese benzingeschwängerte Ära fort, liegen auf den Restauranttischen unter Plexiglas Collagen kopierter Seiten aus Schulzens „Mythos AVUS“-Gedenkbuch: Rennfahrer-Legenden wie Fritz von Opel, Rudolf Caracciola, Hans Stuck, später sein Sohn Hans-Joachim, genannt Striezel, allesamt in Siegerpose mit Pokal, Urkunde, neben, auf oder in ihren Raketenautos, Silberpfeilen, BMW-Motorrädern.
Die hier ihre Teller über die Fotoerinnerungen schieben, sind neben AVUS-Nostalgikern oftmals Hauptstadttouristen, die die besondere Lage des Motels schätzen: So nah am Stadtzentrum West, dass wer abreist, noch nicht wieder hält, und wer ankommt, nicht mehr. Hinter dem Panoramafenster im americandinerhaften Restaurantbereich können Motelgäste hineinschauen in den A-115-Verkehr, der ihnen von Süden herkommend, quasi auf die Teller schwappt. Und zum Pils nach Schnitzelverzehr darf im riesigen Raucherraum sogar gepafft werden. In seiner jetzigen Form existiert der Rasthof seit 1977 – damals kam zum Turm mit dem riesigen Mercedesstern auf dem Dach ein Erweiterungsbau dazu, Küchentrakt und zusätzliche Zimmer, die Zimmer bekamen Bäder, das Untergeschoss großzügige Sanitäranlagen, Kondomautomat, Duschen, Urinale. Matt Damon hat sich hier mal die Hände gewaschen für eine Szene im Agententhriller „Die Bourne Verschwörung“; auf dem weitläufigen Motel-Parkplatz, da, wo früher die AVUS-Nordkurve stand, lassen Berliner Jungs an sonnigen Tagen gern ferngesteuerte Autos rasen. Noch. Doch die Tage des AVUS-Motels scheinen gezählt. In Zusammenhang mit dem anstehenden Umbau des Autobahndreiecks Funkturm soll die direkte Autobahnausfahrt geschlossen und der Rasthofbetrieb beendet werden: Am Knotenpunkt Zu- und Abfahrt A 100 und A 115 sind Ein- und Ausfädelspuren aus den 1960er Jahren mehr als erneuerungsbedürftig. Ausgehend von diesem mehrjährigen Sanierungsvorhaben der Autobahntrassen schiebt Berlin nun auch die Ideensammlung einer Vision von im Umfeld seit längerem brachliegenden oder neugewonnenen Gebiete des zum Stadteingang West zusammengefassten Planungsareals an: In ihren Vorstellungen über die Gestaltung des 152 Hektar großen Geländes zwischen Messe, ICC, den S-Bahnhöfen Westkreuz und Grunewald sind sich Anwohner, Stadtplaner und Neubauinteressenten ähnlich einig uneinig wie man auch die Zukunft des ungenutzten ICC oder der unter Denkmalschutz stehenden AVUS-Motelanlage einstweilen kontrovers diskutiert. Typisch Berlin!

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