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Einmal Hydra und zurück11.03.2020



Text und Foto | Britta Lübbers

Es ist eine berückende Idee des KiWi Verlags: In der neuen Reihe „Musikbibliothek“ äußern sich Autorinnen und Autoren radikal subjektiv über ihre Musiklieblinge. Der Oldenburger Schriftsteller Klaus Modick macht mit, sein Thema ist Leonard Cohen. Aber Modick legt kein Essay und keine Analyse vor. Er lässt seinen jugendlichen Helden Lukas zu samtig schönen Cohen-Songs die Liebe entdecken, sie wieder verlieren und mit ihr weiterwachsen.
Der Verlag habe ihn gefragt, ob er sich an der neuen Reihe beteiligen möchte, erzählt Klaus Modick im Musik- und Literaturhaus Wilhelm 13 der Leiterin des Oldenburger Literaturbüros, Monika Eden. Schöne Idee, habe er sich gedacht und erklärt, er wolle über die Beatles schreiben. „Das wollen alle“, habe der Verlag geantwortet. „Auch die Jungen?“, hakte Modick nach. Ja, auch die Jungen. „Das hat mir wieder einmal bestätigt, dass die Beatles Shakespeare of Pop sind“, resümiert der Autor. Er entschied sich dann für den kanadischen Songpoeten Leonard Cohen und betont: „Er ist keine zweite Wahl. Man kann ja mehrere Lieben gleichzeitig haben.“ Zumindest in der Literatur sei dies problemlos möglich, bestätigt Monika Eden. Und Modick zitiert Gottfried Benn, wonach es keine Untreue gibt, sondern nur eine schlechte Regie.
Rund 90 Minuten liest Klaus Modick aus dem kleinen grünen Büchlein vor – grün ist hier eine wichtige Farbe – Kleider, Augen, Radiolampen und Sonnenuntergänge changieren so. Nach jeder Leserunde gibt es ein Gespräch über das Gehörte, das literarisch schwer einzuordnen ist. Handelt es sich um einen Kurzroman? Eine historische Erzählung oder schlicht um ein Doppelalbum, wie Monika Eden vorschlägt? In jedem Fall swingt durch den Text der Soundtrack einer aufmüpfigen Generation, neben Cohen und den Beatles treten z.B. auch die Stones, Donovan, Simon & Garfunkel und Großmeister Dylan auf, dazu noch ein, zwei Schlager. Bis auf die Schlager lauscht der heranwachsende Lukas im Jahr 1968 in seinem Jungenbett dem schillernden Liedgut. Er besitzt ein Röhrenradio Nordmende Fidelio, das ihm zahllose Offenbarungen beschert – vom weißen Beatles-Album bis zur Cohen-Ballade „Suzanne“, die eines Nachts aus dem Lautsprecher in Lukas‘ Halbdämmer dringt. Eine sonore Baritonstimme, hypnotisch und sinnlich, trägt verwirrende Zeilen vor. Es geht um Lumpen und Federn und einen perfekten Körper. Also um Sex, sinniert Lukas. Oder doch nicht? In jedem Fall ist dieser Song unerhört anders – „nicht Pop, nicht Rock und frei von jedem Kitsch.“
Cohen-Lieder werden Lukas ein Leben lang begleiten. Wir lernen ihn als Teenager kennen, gemeinsam mit seinem Freund Harry macht er Musik auf Schulpartys und in Strandbars. Lukas verliebt sich glücklich und unglücklich, erlebt sein erstes Mal zu den Klängen von „Suzanne“, wird älter, bleibt Cohen treu. Das Buch hat keine Kapitel, sondern Tracks. Natürlich gibt es einen Bonustrack. Der schon gereifte Lukas verbringt einige Wochen auf einer ungenannten griechischen Insel – sollte es Hydra sein, wo Leonard Cohen mit der Norwegerin Marianne Ihlen eine verrückte Liebe lebte, in der Drogen und freier Sex eine große und für Marianne nicht eben positive Rolle spielten? Auch Lukas lernt eine Frau aus Skandinavien kennen und lieben, auch Lukas bleiben von ihr nicht mehr als Bilder im Kopf und ein reales Foto.
Die Geschichte sei nicht autobiografisch, unterstreicht Klaus Modick. Aber ohne seine eigenen Erfahrungen hätte er sie so nicht schreiben können. Modick nimmt die Leserinnen und Leser mit auf eine Zeitreise, in der Kasten-Enten angesagte Autos waren, junge Menschen filterlose Gauloises und noch anderes Kraut rauchten und die Hippie-Bewegung mit den Moralvorstellungen der Alten brach.
„Wir müssen über Generationen sprechen“, sagt Monika Eden. „Welche Bedeutung hat Musik heute?“ Modick überlegt. „Ich glaube nicht, dass die enge Verbindung zwischen einer sich entwickelnden Persönlichkeit und einem Soundtrack heute noch besteht.“ Ihre stete und ständige Verfügbarkeit mache Musik jetzt auch ein Stück weit beliebig. In seiner Jugend hätten allein die Plattencover Geschichten erzählt. „Die Wichtigkeit von Musik, die einem ins Herz greift, war damals größer“, meint der Autor und kommt auf die Bedeutung von Musik für die Erinnerung zu sprechen. „Die Erinnerung trügt, sie trügt immer. Aber Songs sind wirkungsvolle Erinnerungsträger. Sie können eine unvergleichliche Frische erzeugen, ein Wiedererkennen, das es so nur in der Musik gibt.“
Lehnen wir uns also zurück und fahren wir mit Leonard Cohen in einem VW Bulli nach Griechenland. Unter kiwi-verlag.de/playlists gibt es dazu die passenden Songs.

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